Im Profil: Die Radiojournalistin und Feature-Autorin Mandy Fox

Im Profil: Die Radiojournalistin und Feature-Autorin Mandy Fox

Mandy Fox ist freischaffende Radiojournalistin und Feature-Autorin und arbeitet für deutsche, sowie asiatische Sender. Die Potsdamerin beschäftigt sich in ihrer Arbeit vor allem mit Südostasien und speziell mit Myanmar, das sie regelmäßig besucht. Wenn sie nicht in Asien unterwegs ist, recherchiert sie in Deutschland spannende Geschichten, moderiert Radiosendungen und entwickelt interkulturelle Projekte. Kreatives Brandenburg hat mit Mandy Fox über ihre manchmal nicht ganz ungefährlichen Recherchen gesprochen.

Frau Fox, Ihre letzte große Interviewreise führte Sie in diesem Sommer nach Myanmar. Diese Reise sind Sie mit gemischten Gefühlen angetreten.

Ich habe in Myanmar 2010 bereits meine Erfahrungen mit dem Geheimdienst gemacht. Zwischen 2006 und 2010 bin ich als Studentin immer ganz unbedacht in das Land gereist. Natürlich hatte ich vorher schon viel über den dortigen Geheimdienst gelesen, aber als westliche Touristin oder Studentin dachte ich, dass ich damit eigentlich nicht konfrontiert werde. 2010 gab es aber bereits erste Probleme am Flughafen, weil ich zum ersten Mal ein Business Visum hatte. Das haben auch Studenten mit einem Feldforschungsvorhaben bekommen. Ich wusste, dass die Stimmung angespannt ist, weil sich die damalige Militärregierung auf die ersten so genannten freien Wahlen nach etlichen Jahrzehnten vorbereitete. Ausländer wollten sie als Augenzeugen besser nicht im Land haben. Dies bekam ich schnell zu spüren: Egal, was ich mit Freunden unternahm, wir wurden ständig beobachtet und auch von der Immigrationsbehörde kontrolliert.
Ich war damals nach Myanmar gekommen, um für mehrere Monate zu bleiben, aber unter diesen Voraussetzungen wurde für mich jegliches Arbeiten unmöglich gemacht. Nach vier Wochen habe ich meine Reise abgebrochen. Nach den Wahlen entspannte sich die Situation wieder. Dann durften plötzlich ausländische Medien filmen und interviewen. Seit 2013 bin ich wieder regelmäßig in Myanmar und habe dort auch gearbeitet.

Welche Befürchtungen hatten Sie, und mit was wurden Sie dann vor Ort konfrontiert?

Im isolierten Westen Myanmars sind 2012 Konflikte zwischen Buddhisten und Muslimen ausgebrochen, und es gibt immer wieder Reisewarnungen für diese Region. Ich konnte aus der Ferne nicht einschätzen wie die Situation vor Ort ist. Myanmar ist immer für eine Überraschung gut. Für mich war die Frage, inwieweit ich mich dort gefahrlos bewegen kann und inwieweit es möglich ist, die Familie zu besuchen, die ich vor sieben Jahren kennengelernt habe, also zu einer Zeit, als es noch keine Konflikte gab. Ich wusste nicht, ob ich wirklich bis zu dem Dorf, in dem die Familie jetzt lebt, reisen kann und ob mein Besuch vielleicht eine Gefahr für sie darstellt. Ich habe natürlich versucht, das so gut wie möglich abzuklären, einerseits durch Bekannte, die für NGOs vor Ort arbeiten. Andererseits hatte ich Kontaktleute sowohl auf buddhistischer als auch auf muslimischer Seite. Die Reise verlief letztendlich ohne Zwischenfälle.

In Myanmar wollten Sie eine Familiengeschichte recherchieren. Um was geht es dabei?

Die Familie habe ich durch einen Zufall im Jahr 2008 kennengelernt, als ich als Studentin Sittwe besuchte, die Hauptstadt des Rakhine Staates im Westen Myanmars. Während meines Studiums hatte ich über die muslimische Gruppe der Rohingya gelesen. Ich wollte mehr darüber wissen, doch gab es nur spärlich Literatur dazu. Das Familienoberhaupt U Kyaw Hla Aung war vor dem Ausbruch der Konflikte 2012 Mitarbeiter einer internationalen NGO. Er ist Anwalt, Menschenrechtsaktivist und ehemaliger politischer Gefangener, der erst im Oktober 2014 entlassen wurde. Er ist 75, aber weiter unerschrocken und setzt sich für die Gruppe der Rohingya ein. Vier Söhne leben bereits im Ausland, weil die Zukunftsaussichten im eigenen Land düster sind. Schon seit ein paar Jahren denke ich, dass ich die Geschichte der Familie erzählen muss, weil die Geschichte beispielhaft für die Zustandsbeschreibung eines ganzen Landes steht.

Sie haben bereits während Ihres Studiums der Südostasien-Studien zu diesem Thema geforscht. Wie entstand Ihr Interesse daran?

Eigentlich bin ich durch einen „Unfall“ zu diesem Studienfach gekommen. Ich wollte Sinologie studieren, da ich mich bereits als Jugendliche mit China und Hongkong befasst hatte. Doch in meinem Hauptfach Geschichte musste ich laut Studienordnung das Große Latinum machen. Ich konnte mir nicht vorstellen, gleichzeitig noch zwei Jahre lang intensiv Chinesisch zu lernen. Ich habe dann an den Unis recherchiert, welche Studienfächer noch angeboten werden, die sich mit Asien beschäftigen. Bei Südostasien-Studien konnte ich den Zeitpunkt zum Erlernen einer Sprache selbst wählen. Deshalb habe ich mich dafür entschieden und anschließend geschaut, welche Länder mich speziell interessieren würden. Dabei bin ich auf Myanmar gestoßen, weil die Humboldt-Universität in Berlin die einzige Spezialistin für Myanmar beschäftigt hat. Letzten Endes bin ich bei diesem Land geblieben, weil die Dozentin so leidenschaftlich über dieses Land berichtet hat und sehr engagiert war. Wir haben eigenständig eine Studienreise organisiert und mit ihr drei Wochen das Land erkundet. Dort hat es mich dann wirklich gepackt, weil Myanmar durch die jahrzehntelange Isolierung so anders ist als seine Nachbarländer.

Kam der Einstieg in den Journalismus parallel zum Studium?

Es war eigentlich ganz klassisch. Ich habe bei der Studentenzeitung mitgearbeitet, erst in Potsdam, dann in Berlin, dann bei beiden. Neben dem Studium kam die Arbeit bei der Lokalzeitung und Magazinen hinzu.

Wiederum durch einen Zufall kam ich zum Radio. Beim uniRadio Berlin-Brandenburg wurden Praktikanten gesucht. Zunächst hatte ich daran überhaupt kein Interesse, weil ich fand, dass meine Stimme absolut furchtbar klang. Dann hatte ich tatsächlich einen Traum, in dem ich so viel Spaß hatte, vor dem Mikrofon zu sitzen und zu moderieren, dass ich mich beworben habe. Kurz darauf bekam ich auch meine eigene Sendung. Ich habe schnell die Vorteile dieses lebendigen Mediums erkannt, dass man zum Beispiel nicht nur über Musik schreiben, sondern diese auch vorspielen kann. Und dass man u.a. sehr gut Emotionen durch Stimmen transportieren kann. Richtig gepackt hat es mich, als das Feature ins Spiel gekommen ist.

Wieso?

Das habe ich für mich als Ausdrucksform gewählt. Das Feature ist eine erfrischend freie Form, die es zulässt, sich mit einem Thema auf ganz vielfältige Art und Weise zu befassen. Im Spannungsfeld von Dokumentation und Fiktion erzähle ich in einstündigen Radio-Features Geschichten. Und begebe mich auf eine akustische Reise, die vor der eigenen Haustür, oder in der Ferne beginnt. Am Anfang jedes Features steht eine Frage, oder eine Begegnung, die meine Neugier weckt. Damit beginnt die Reise, die Suche. Ohne, dass es mir oft bewusst ist, haben die Themen immer auch etwas mit mir selbst zu tun. Ich treffe Menschen und begleite sie über einen längeren Zeitraum. Sie laden mich ein in ihr Haus, in ihr Leben, lassen mich teilhaben an ihren Gedanken. Alle meine Sinne sind gefragt: Welche Signale sendet mein Gegenüber aus? Wie ist die Körpersprache? Wie ist die Atmosphäre? Welche Gerüche liegen in der Luft? Und wie setze ich all das später akustisch um? Alles hängt von meinem gesammelten Material ab. Es wird gesichtet und transkribiert. Und weil im Feature alles möglich ist, jongliere ich mit Musik, Atmosphäre, Archivmaterial, Interviews und fiktiven Elementen. Ich entwickle eine Dramaturgie und überlege welche Erzählhaltung für das Feature passend wäre.

Ihre Radio-Feature sind meist sehr aufwendig. Wie finanzieren Sie Ihre Reisen?

Für ein großes einstündiges künstlerisches Feature muss man von der Recherche bis zur Produktion etwa neun Monate rechnen. Ich habe für das Myanmar-Feature einen koproduzierenden Sender und eine feste Übernahme durch einen weiteren Sender. Und ich habe einen Reisekostenzuschuss bekommen.

Können Sie allein von der Arbeit als Radiojournalistin und Feature-Autorin leben, oder haben Sie noch andere Standbeine?

Ich würde mich selbst nicht als Nachrichtenjournalistin bezeichnen. Ich habe nicht jeden Tag ein neues Thema für den nächsten 3-Minuten-Beitrag. Ich bin eher tiefgründig und den langen Formen des Radios verfallen. Neben meiner Arbeit als Feature-Autorin gebe ich Radio- und Radiofeature-Workshops. Außerdem mache ich Projekte im interkulturellen Bereich und arbeite in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Sie arbeiten auch für asiatische Sender. Für welche, und in welcher Sprache werden die Beiträge gesendet?

Einmal ist das Radio Taiwan International, das eine Deutschredaktion hat. In Indonesien gibt es Radio Republik Indonesien mit ebenfalls einer kleinen Deutschabteilung.

Ich habe mehr für diese Sender gearbeitet, als ich vor Ort unterwegs war. Aber ich kann nach wie vor Sendungen zu verschiedenen Themen produzieren und sie dann rüberschicken. Das geht ja von überall auf der Welt.

Ein Großteil der hauptberuflichen Journalisten in Deutschland verbreiten eigene journalistische Inhalte in sozialen Netzwerken oder Blogs. Wie machen Sie auf Ihre Reportagen und Features aufmerksam?

Ich habe eine eigene Website und bin bei Facebook. Ich könnte in dem Bereich aktiver sein, aber als Feature-Autorin habe ich auch nicht jede Woche neuen Output, den ich auf der Seite platzieren könnte. Deshalb würde sich für mich auch zum Beispiel ein Twitter-Account überhaupt nicht anbieten. Ich versuche auch ein gesundes Maß zu den neuen Medien herzustellen. Ich muss nicht überall vertreten sein. Aber ich experimentiere gern herum, gerade mit Online-Storytelling. In Audio-Slideshows verbinde ich Fotos und Audio.

Sie sind oft für Recherchen in Asien unterwegs, haben in Berlin gelebt und sind jetzt nach Potsdam gezogen. Wie kam es dazu?

Ich bin eigentlich Potsdamerin. Und ein Teil meiner Familie ist auch nach und nach wieder hierher gezogen. Als Berlin richtig hip wurde, war es nicht mehr mein Berlin. Ich hatte einfach genug Berlin getankt. Mein Leben ist aufregend genug, ich bin oft im Ausland, und ich freue mich einfach, wenn ich in Potsdam bin und die Tür zumachen kann. Es ist ruhig, und ich kann dennoch alles in zehn Gehminuten erreichen. Ob ich in den nächsten Park will, der eben nicht überbevölkert ist oder an den Fluss, an den See. Natürlich ist Potsdam auch attraktiv, weil Berlin in der Nähe ist. Ich bin oft zum Produzieren für Sendungen in Berlin.

Wie oft sind sie im Jahr weg?

Drei bis sechs Monate. Ich war auch mal eineinhalb Jahre am Stück weg. Seit April 2014 habe ich mich in Potsdam niedergelassen. Ich bin gern in Asien, aber zwei Monate im Jahr müssen für die nächsten großen Radio- und Feature-Beiträge reichen.

Hätten Sie sich nicht auch vorstellen können, ganz in Asien zu leben?

Ich hätte es mir tatsächlich bis zum Jahr 2014 vorstellen können. Dann kam der Wendepunkt. Ich habe einfach das Gefühl an einem Ort länger sein und mich auch häuslich einrichten zu wollen. Ich habe nach einer Weile in Asien die banalsten Dinge vermisst, zum Beispiel die vier Jahreszeiten, saubere Luft und saubere Gewässer – eines meiner Hobbys ist Paddeln und Rudern. Ich wollte einfach ankommen – und das am Liebsten in Potsdam.

Seit dem 1. Oktober 2015 haben Sie ein Büro im Rechenzentrum Potsdam und richten sich hier auch eine Sprecherkabine ein. Vorher haben Sie von zu Hause gearbeitet.

Ich liebe mein Homeoffice auch sehr und arbeite auch gern in Cafés wenn es sich anbietet. Aber im Laufe der Zeit habe ich festgestellt, dass ich gern Arbeit und Privates trennen möchte. Ich brauche einen eigenen Bereich, in dem ich mich entfalten kann.

Was sind die Vorteile, ein Büro in einem Kreativzentrum zu haben?

So etwas habe ich in Potsdam bislang vermisst. Da ich selbst auch oft unterwegs war, bin ich in Potsdam noch nicht so gut vernetzt. Ich hoffe, dass sich Synergieeffekte ergeben, dass man zusammen mit kreativer Energie Projekte entwirft und gemeinsam umsetzt. Ich bin gespannt auf das, was in dem Kultur- und Kreativhaus noch kommt.

Ihr Büro soll künftig auch Basis für ein Radioprojekt mit Flüchtlingen sein.

Ja, in den deutschen Medien wird viel über Flüchtlinge und Asylsuchende berichtet, aber wir hören wenig von ihnen selbst. Bei „Radio Neuland“, so der Name, soll den Flüchtlingen eine Stimme gegeben werden. Radio Neuland versteht sich vor allem multimediales Projekt, das sowohl Hörfunk als auch Online, Fotografie und Film miteinander verbindet. Es soll also ein Podcast-Radio werden. Die meisten Flüchtlinge haben einen Smartphone, so dass die Beiträge für jeden abrufbar sind. Ich hoffe, dass ich in Potsdam noch mehr interkulturelle Medienprojekte anstoßen kann.

INFO

Mandy Fox beschreibt ihn ihrem einstündigen Feature, das am 7. November 2015 im Deutschlandradio Kultur und am 8. November im RBB Kulturradio ausgestrahlt wird, die Geschichte von U Kyaw Hla Aung und seiner Familie, die der Gruppe der Rohingya angehören. Wie viele andere, so die Recherchen, leben sie seit Generationen im isolierten Westen Myanmars. Die Rohingya gelten als illegale Immigranten aus Bangladesh. Als Anwalt und Aktivist setzt sich der mittlerweile 75jährige U Kyaw unbeirrt für ein friedliches Miteinander ein. Mehrmals saß er als politischer Gefangener im Gefängnis. Auch seine Familie ist täglichen Diskriminierungen und Repressionen ausgesetzt, wie das Feature weiter zeigt. Vier seiner Söhne leben bereits im Ausland. Das Feature erzählt die Geschichte des Landes Myanmar aus der Sicht dieser Familie und versucht zu verstehen, wie und warum ethnische Konflikte geschürt und instrumentalisiert werden.

Interview: Bianca Loschinsky.
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